2015-07-22

Alte Mädchenherrlichkeit - Oder: Wer ist die erste Dame des Dorfes?

Jetzt geht das ganze Theater ums Betreuungsgeld schon wieder von vorne los. Hätte man in diesem Land aber wirklich etwas anderes erwarten können?
Nur weil das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeldgesetz formal für nichtig erklärte, sich aber keineswegs dazu herabgelassen hatte, inhaltlich etwa diktieren zu wollen, was die ärmsten Politiker der Gegenwart - gleichermaßen die der Regierung als auch der Oppostion - , die sowieso schon erstaunlich große Schwierigkeiten mit der real existierenden Diversität der zu Regierenden haben, denn nun machen sollen, wird die Zeit zurückgedreht und es beginnen wieder haargenau dieselben polemischen Debatten darum, "der Frau" (als solcher) den gefälligst politisch richtigen Weg zu weisen. Als ob die nicht schon längst selbst wüsste, was sie wollte ... Ist dieses wirklich schon das 21. oder doch eher noch das 18. Jahrhundert???

Zeit - ist das Stichwort. Mich würde interessieren, welche von den streitbaren Damen, die das Betreuunggeld ("großzügige" 150 Euro im Übrigen) so genüsslich als Herdprämie diffamierten, in den Jahren zwischen 1986 und 2006 (die letzten Auszahlungen gab es noch bis Ende 2008, Anfang 2009), selbst das Bundeserziehungsgeld für ihren Nachwuchs einkassierten. Es wäre auch durchaus interessant für die Öffentlichkeit zu erfahren, welche der Wortführerinnen, die inzwischen wegen 150 Euro für die Erziehungsleistung ihrer Töchtergeneration stoiisch auf der Palme sitzen, für ihre eigenen Kinder dagegen höchstpersönlich ein Jahr lang 450 (460) Euro pro Monat oder zwei Jahre lang 300 (307) Euro (siehe Link) pro Kind bezogen.

Dieses für den Steuerzahler sehr viel teurere Bundeserziehungsgeld lief immerhin über zwanzig Jahre lang - inklusive drei Jahre (!) Erziehungurlaub pro Kind. Davon profitierten demnach auch entsprechend viele Mütter, die damals wie heute die Hauptbezieherinnen waren. Die Kritik am großzügigeren Erziehungsgeld und am längeren Erziehungsurlaub fiel seltsamerweise auch noch deutlich weniger hysterisch aus als in der Gegenwart am Betreuunggeld und dem Umstand, das manche Eltern auch heute noch ihre Kinder erst in die Kita geben wollen, wenn die Kinder auch sprechen können.

Bei zwei oder drei Kindern stellten Beträge von etwa 600 bis 900 Euro pro Monat (!) zumindest im zweiten Lebensjahr von Kindern eine wesentlich großzügigere Entlastung von Familien dar und bildeten wohl gleichzeitig eine viel größere "Gefahr", den Frauen "falsche Signale" (sich nicht dem Erwerbsleben zu widmen) zu geben, als diese lächerlichen Beträge von heute, um die nun u.a. deren einstige Nutznießerinnen streiten wie am Fischstand von Verleihnix.

Solchermaßen betroffene, "erste Damen des Dorfes" müssen sich durchaus fragen lassen, ob sie nicht schlicht und einfach zu geizig sind, eine langsam um sich greifende Unart des demografischen Wandels, ihrer Töchtergeneration nicht einmal mehr die Hälfte von dem zu gönnen, was sie selbst einst so "großzügig" für sich selbst in Anspruch genommen hatten. Also raus mit der Sprache: Wer von den aktuellen Herdprämien-Verächerinnen hat für die eigenen Kinder selbst zwischen 1986 und 2008 (2009) Bundeserziehunggeld erhalten? Und wenn ja, wie viel und wie viele Jahre lang setzten sie aus dem Beruf aus - und warum?

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